Am Sonntagabend, das offizielle Bühnenprogramm war schon beendet, liefen noch einmal rund 150 Besucherinnen und Besucher vor die Bühne und formten einen riesigen Tanzkreis. Zu türkischer Musik fassten sie sich gegenseitig an den Händen, die Tanzschritte, für viele noch unbekannt, waren schnell gelernt. „Das war ein fröhlicher Abschluss unserer 20. Jubiläumsausgabe. Wir freuen uns über den großen Zuspruch aus allen Bevölkerungsgruppen Friedbergs“, sagte Mehmet Turan, der Vorsitzende des Internationalen Zentrum Friedberg. Über 1000 Menschen strömten über den Tag auf den Festplatz Seewiese. Die Hüpfburg war rappellvoll, viele Kinder ließen sich mit Hennafarbe tätowieren, von den Mitarbeiterinnen des Jugendrotkreuzes die Gesichter schminken oder kletterten auf die Rollenrutsche und sausten hinunter. Beim Stand der Kinderfarm Jimbala wurde kräftig gewerkelt und nebenan Instrumente aus „Schrott“ für ein Schrottorchester gebastelt. Lukas Hölzinger, Leiter soziale und kulturelle Dienste der Stadt Friedberg, hatte mit einem Fass Bambusstöcke und Verbindungsgummis ein Spiel mitgebracht, das viele zum gemeinsamen Bauen einfacher oder gewagter Konstruktionen herausforderte, die sich eindrucksvoll auf dem Spielfeld der Friedberg Braves sammelten und bewundert werden konnten. Er brachte damit die ursprüngliche Idee des Festes in Erinnerung, dass Menschen sich im unmittelbar zweckfreien Zusammenspiel am besten gegenseitig kennenlernen können. Dazu standen auf dem Spielfeld auch viele Spiele des Sportkreises Wetterau zur Verfügung, die vor allem von Familien und Kindern genutzt wurden. Chillen konnte man im Schatten der Bäume und im großen schwarzen Rundzelt der Pfadfinder des VCP.
Veranstaltung ist auch ein Musik- und Kulturfestival
Musiker*innen und Tänzer*innen sorgten für ein abwechslungsreiches Programm auf der Bühne, das hauptsächlich von Ulrike von Bothmer (IZF) organisiert wurde. Thomas Belay spielte auf der äthiopischen Harfe Volksweisen. Folklorestücke boten eine Gruppe des Albanischen Vereins Wetterau/Friedberg und die Saz-Folkloregruppe der Alevitischen Gemeinde Friedberg. Am Vormittag sang der Grundschulchor Fauerbach, außerdem trat die Showtanzgruppe der TG Melbach wegen der Vielzahl der Tänzerinnen vor der Bühne auf. Weitere Gruppen zeigten landeseigene Volkstänze, darunter aus Vietnam, Japan, Lateinamerika sowie der Türkei und erhielten großen Applaus. Politischer Höhepunkt war der Auftritt der Theatergruppe „Zusammenspiel / Zusammenklang“ des Internationalen Bundes, die sich aus Flüchtlingen aus verschiedensten Ländern zusammensetzt und von Alan Twitchell und Kiran Bowry ins Leben gerufen wurde. Thematisiert wurden die Verhältnisse in den Herkunftsländern der Flüchtlinge, existentielle Erlebnisse auf der Flucht und die Lage als Flüchtlinge hier in Friedberg. Unterlegt wurden die Statements mit eindrucksvoller Choreographie. Leider waren einige Teile des Auftrittes wegen Tonproblemen kaum zu verstehen. Die Zukunftswünsche waren jedoch deutlich: Sicherheit, Freiheit und Frieden auch in der Ukraine, eine gute Arbeit und eine Wohnung für die ganze Familie. Die Jüngste aus der Gruppe wünschte sich: „Dass ich meine Großmutter wiedersehen kann.“
Viele zückten ihre Handys und hielten die besonderen Momente des Tages fest. Die Hauptband Gastone spielte eigene Balkan- und Ska-Stücke, zu denen trotz heißer Sonne heftig getanzt wurde und als Zugabe den Klassiker „Bella Ciao“. Mehrmals forderte sie die Zuhörer zum Mitsingen auf – das Publikum ging voll mit. Immer wieder hielten Passant*innen auf der Seewiese an, lauschten der Musik oder stärkten sich an den zahlreichen Essenständen. Darunter waren kongolesische, indische, türkische, ukrainische, albanische, eritreische und afghanische Speisen. Wie immer gab es den Trommelworkshop der Musikschule, der immer wieder unter Leitung von Peter Mala zu Höchstformen auflief. Auch Infostände waren dabei wie von der Antifabi, dem Europaclub und „Demokratie Leben“. Helfer*innen und Kuchenspenden, auch aus anderen Vereinen, hatte Klaus Auls zur Unterstützung organisiert. Viele meldeten sich für eine Hilfe von ca. 2 Stunden an den verschiedenen Stationen. So konnten die Rollrutsche und die große Hüpfburg betreut werden. Der Aufbau war diesmal fast pünktlich abgeschlossen und das Zelt des IZF mit kalten Getränken, Kaffee und Kuchen stellte durchgängig die große Nachfrage zufrieden. Besonders gefragt waren die kalten, alkoholfreien Cocktails am IZF Stand. Und natürlich hatte auch der Umsonstladen wieder nützliche und schöne Dinge zum Verschenken dabei.
Begegnung von alten und neuen Friedbergern
Eine Gruppe Geflüchteter landete beim Menschenkicker-Fußballturnier auf dem zweiten Platz. 10 junge Männer und Frauen, die in der Friedberger Erstaufnahmeeinrichtung in der Kaserne leben, hatten sich angemeldet. „Das war ein toller Tag und willkommene Abwechslung“, sagte einer der Geflüchteten aus Afghanistan. „Wir wollen mehr mit den Menschen hier in Friedberg in Kontakt kommen.“ Das Team mit dem Namen „One World Team Friedberg“ verlor lediglich gegen die erstplatzierte Mannschaft „Wilder Haufen“. Bei der Siegerehrung jubelten alle gemeinsam. „Genau für solche Begegnungen organisieren wir das Spielefest“, sagte Johannes Hartmann vom Internationalen Zentrum. Die nächsten 20 Ausgaben können also kommen. Das Fest wird über das Programm „Demokratie leben“ vom Wetteraukreis und dem Land Hessen gefördert.
Artikel von Till Uebelacker
Hier der Artikel in der Wetterauer Zeitung vom 19.7.23
…und Bilder vom Fest von Johannes Hartmann