Bezahlkarte – eine weitere Schikane für Flüchtlinge

Umsetzung der Bezahlkarte im Wetteraukreis:

Die Fachstelle Migration hat wegen des zu erwartenden Publikumsverkehrs eine Hotline eingerichtet: Die Bezahlkarten-Hotline  lautet 06031/833599 und ist zu ihren Öffnungszeiten erreichbar. Es gibt auch ein E-Mail Funktionspostfach: bezahlkarte@wetteraukreis.de

Alle neu zugewiesenen Geflüchtete erhalten ab 1.4.25  ihr Geld auf einer Bezahlarte.

Ausnahmen: Anerkannte Geflüchtete, Geflüchtete zugehörig zur Massenzustrom-Richtlinie (Ukrainer*innen), Ehepartner/Ehepartnerin von Anerkannten, Minderjährige von anerkannten Eltern im Familienverbund

Die Ausweitung auf die Bezieher*innen von Grundleistungen ist ab voraussichtlich Mitte 2025 vorgesehen. Ausnahmen: Erwerbstätige, Geflüchtete in privaten Wohnungen, Bezieherinnen und Bezieher von Analogleistungen. Da muss eine rechtliche Klärung durch das Land noch erfolgen.

Überweisungen können nur mit Genehmigung der Fachstelle Migration getätigt werden. Es gibt eine Liste von Überweisungsempfängern, die der Fachstelle vorliegt und die genehmigungsfähig sind. Auch Rechtsanwälte für die rechtlichen Belange der Asylsuchenden sind genehmigt. Dazu muss man Kontakt zur Fachstelle aufnehmen, die selbst keinen Einblick in die Konten der Benutzer*innen hat.

Ansparungen sind technisch möglich.  Sollte das Verfügungslimit demnach aus dem Vormonat nicht aufgebraucht werden, so wird der entsprechend ungenutzte Betrag in den Folgemonat übertragen. Das monatlich zur Verfügung stehende Verfügungslimit (individuell gewährter Regelsatz) wird um diesen ungenutzten Betrag des Vormonats erhöht.

Das Land Hessen teilt jedoch mit, dass es zunächst weiterhin Einschränkungen beim Bargeldverfügungslimit geben wird. Sollte das Bargeldverfügungslimit in einem Monat nicht ausgeschöpft werden, so wird der ungenutzte Barbetrag auf den Folgemonat übertragen. Dieser ungenutzte Barbetrag des Vormonats steht jedoch nicht als zusätzliches Bargeldverfügungslimit zur Verfügung. Er wird dem Verfügungslimit insgesamt hinzugefügt und kann unbar verbraucht werden. Sollten Geflüchtete den ungenutzten Barbetrag als zusätzliches Bargeldverfügungslimit im Folgemonat nutzen wollen, müssen sie sich an die Leistungsbehörde des Wetteraukreises wenden. Diese kann dann eine entsprechende Anpassung vornehmen. Auch diese technische Anpassung wird das Land demnächst  nachholen, um die Übertragung des ungenutzten Bargeldlimits in den Folgemonat zu ermöglichen.

Mit einer speziellen App können dieKartenbesitzer*innen Eiblick in ihr Konto nehmen.

Protest und Wechselstube in Gießen

In der Gießener Erstaufnahmeeinrichtung werden seit einigen Wochen Bezahlkarten ausgegeben. Dadurch soll verhindert werden, dass die Geflüchteten das ihnen zugeteilte Geld in die Heimat oder an Schleuser schicken. Wie in anderen Städten formiert sich auch in Gießen Widerstand. Helfer wollen das System durch Tauschbörsen umgehen. 

Im Frühjahr 2024 beschloss der Bundestag die Einführung dieser Karten auf Drängen einiger Bundesländer. Argument war, „Pullfaktoren“ nach Deutschland zu verringern, und das durch möglichst viel Schikane an verschiedenen Stellschrauben. Einzelheiten können die Länder zwar selbst festlegen, allgemein soll die Visa-Debit-Karte aber die Bargeldabhebung begrenzen und Überweisungen verhindern. Um eine bundesweit möglichst einheitliche Einführung zu gewährleisten, haben die Länderregierungschefs einen verfügbaren Bargeldbetrag von 50 Euro vereinbart, von dem in individuellen Ausnahmefällen abgewichen werden kann. Die Besitzer können mit den Karten also in Geschäften bezahlen und bis zu 50 Euro abheben, aber kein Geld überweisen.

Wir sehen darin ein Instrument der Ausgrenzung. Die Debitkarte schafft eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, schikaniert Schutzsuchende und stellt nicht nur finanzielle Einschränkungen, sondern auch eine Gängelung dar. Auch die Umsetzung der Bezahlkarte ist problematisch und nicht ausgegoren. Sie ist nur in Geschäften nutzbar, die Visa-Karten akzeptieren, während Märkte, kleine Läden oder Bäckereien oft keine Kartenzahlung annehmen. Zudem müssen Überweisungen genehmigt werden, und nur 50 Euro Bargeld pro Monat sind verfügbar. Die Debitkarte stellt für die Betroffenen eine weitere massive Einschränkung ihrer Autonomie dar, finden wir. Das behindert natürlich auch Willkomenskultur und Intgration, die politisch nicht mehr erwünscht ist.

Als Alternative stellt z.B. das Bündnis »Nein zur Bezahlkarte – Gießen solidarisch« die »Wechselstube« vor, die den Umtausch von Geschenkgutscheinen gegen Bargeld ermöglicht. Vor allem Lebensmittelkarten von Supermarktketten stehen im Fokus und können umgetauscht werden. Laut Andrea Kosch vom Bündnis werde das Angebot gut angenommen. Die Forderung des Bündnisses: Die sofortige Abschaffung der Debitkarte und stattdessen ein Basiskonto für alle Asylsuchenden. Dieser Forderung schließen wir uns an.

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