Vorbemerkung: Solche eklatanten Vorfälle sind uns seit dem unten beschriebenen Fall nicht mehr bekannt geworden. Inzwischen hat in der Ausländerbehörde und ihren vorgesetzten Behörden auch ein Generationswechsel stattgefunden. Auf allen Verwaltungsebenen ist der Wetteraukreis seit längerer Zeit in Streitfällen gesprächsbereit oder aber gibt die Verantwortung an den RP Darmstadt ab (dessen Außenstelle sie ist), zu dem wir leider keinen Draht haben. (Stand Januar 2023)
„Aus der Klinik abgeschoben“, so lautet die Überschrift in einem Artikel der Wetterauer Zeitung vom 18.3. 2017
Ein Drama, das an frühere Zeiten, vor der Wandlung der Ausländerbehörde in eine „Willkommensbehörde“ erinnert, hat sich kürzlich erneut im Wetteraukreis abgespielt. Das können sie in den beiden Artikeln aus Frankfurter Rundschau und der Wetterauer Zeitung weiter unten lesen. Dabei zeichnet sich ab, dass der Vorfall sich nicht in der Ausländerbehörde, sondern beim Fachdienst Migration abgespielt hat. Inzwischen hat sich der Kreistag ebenfalls mit dem Vorfall und der Klage beschäftigt. Die AG-Flüchtlingshilfe Wetterau hat Landrat Arnold um einen Gesprächstermin gebeten, wurde von ihm aber auf die beiden Kreisbeigeordneten verwiesen. Das IZF ist der Auffassung, dass Landrat Arnold wegen der Tragweite der Vorgänge diese zur Chefsache erklären sollte und das Gesprächsangebot selbst annehmen sollte. Das hat er nicht getan und wird er auch nicht mehr tun, weil er ab 1.1.2018 zur OVAG wechselt. Inzwischen (August 2017) ist die Klage abgewiesen worden, aber es ging wohl eher um einen Einschüchterungsversuch an alle, die Kritik an der Abschiebepraxis von Wetteraukreis und Regierungspräsidium Darmstadt haben.
Hier die Presserklärung des IZF vom 30.3. 2017:
Das Ende der Willkommenskultur im Wetteraukreis
Die AG-Flüchtlingshilfe Wetterau hatte den Landrat Arnold um ein Gespräch gebeten. Der hat aber auf die beiden Kreisbeigeordneten Frau Becker-Bösch und Herrn Weckler verwiesen. Das Gespräch hat jetzt nur mit Kreisbeigeordneten Jan Weckler am 10.5. 17 stattgefunden und brachte keinerlei Ergebnisse. Weckler sagte, Ausreisepflichtige müssten abgeschoben werden, wenn sie nicht freiwillig ausreisen und er wollte auch keine „rote Linie“ bei Menschen sehen, die sich in psychischer Behandlung befinden, soweit Behandlung auch im Heimatland möglich sei und die Reisefähigkeit attestiert werden könne. Die Vertreter*innen der AG Flüchtlingshilfe verlangten mehr Fingerspitzengefühl und die Rücksichtnahme, die eine echte Willkommenskultur erfordert.
Auch die unhaltbaren Zustände bei der Ausländerbehörde, wo Menschen jetzt schon vor 6 Uhr Schlange stehen müssen, um überhaupt einen Termin zu erhalten und viele unverrichteter Dinge wieder weggeschickt werden, kamen zur Sprache. Weckler sagte, er leide selbst unter diesen Zuständen und sei jetzt seit seinem Amtsantritt im letzten Jahr damit beschäftigt, das Problem zu lösen. Ohne Erfolg, weil er nur wenige qualifizierte neue Mitarbeiter finde, alte wegen der schlimmen Arbeitsbedingungen kündigten und die neuen erst eingearbeitet werden müssten. Zwischenzeitlich habe sich die Situation mal etwas beruhigt gehabt, aber die jetzige „Welle“ sei darauf zurückzuführen, dass vor einem halben Jahr die Aufenthaltsgestattungen noch nicht Anerkannter pauschal um 1/2 Jahr verlängert worden seien, die jetzt alle wieder im gleichen Zeitraum verlängern müssten. Den Gesprächsteilnehmern von Seiten der AG Flüchtlingshilfe fehlte das Verständnis, weil sich hier eine jahrelang verfehlte Personalpolitik zeige. Mit den jetzigen Mitteln ist das Problem wohl nicht zu lösen, also es müssen andere Lösungen her. Der Vorschlag, Termine wieder per Telefon zu geben, wurde von Weckler auch nicht als hilfreich gesehen: Termine würden nicht ausgegeben, weil da weiteres Personal für das Telefon gebunden würde, ebenso wie für die Koordination der Termine. Er sagte, es würden Möglichkeiten geschaffen, dass Kunden aus den entfernteren Teilen des Wetteraukreises nicht mehrmals wieder weggeschickt würden. Wie das geschehen soll, sagte er nicht. Bleibt eigentlich nur die Möglichkeit, ihn selbst nach dem 1. Male per E-Mail anzuschreiben und ihn darum zu bitten, selbst einen Termin auszumachen. Seine Mailadresse bzw. die seiner Sekretärin findet man hier auf dem Server des Wetteraukreises. Hier müssten nach Ansicht der AG-Teilnehmer*innen tatsächlich mal wieder Aktionen stattfinden.
Und hier weitere Hintergrundinformationen:
Abschiebungen-Psychiatrie GI und Ärzte (FR 15.03.17)
WZ Artikel zu Abschiebung aus der Klinik_0001
Früher gab es ähnliche Skandale. Damals wurde unser Freund Mustafa Alcali abgeschoben. Er wurde ebenfalls mit Hilfe eines Gutachtens eines der für solche Zwecke bestellten Arztes in Abschiebehaft genommen, wo er sich dann das Leben nahm. Seine Suizidgefährdung war vorher bekannt, wurde aber von dem Gefälligkeitsgutachter als nicht ernst zu nehmen vom Tisch gewischt. Vor diesem Hintergrund ist die Tatsache, dass ein Gutachten des Klinikarztes im jetzt vorliegenden Fall erneut im Wetteraukreis nicht ernst genommen wird, nur zynisch zu nennen.
Inzwischen wandelt sich die im letzten Jahr noch proklamierte „Willkommenskultur“ durch einen Politikwechsel in einen „Abschiebewahn“. Der Kurs des Bundesinnenministers, der Kritik von rechts an der Flüchtlingspolitik durch wöchentliche Gesetzes- und Erlassverschärfungen gegen Asylsuchende entgegenzukommen, beflügelt auch die Scharfmacher in der Kreisverwaltung wieder. So zu sehen an der Klage, zu der sich der Leiter des Fachdienstes „Recht und Kommunalaufsicht“, Ernst Meiß, gegen den Direktor des Zentrums für Psychiatrie in Gießen bemüßigt fühlt. Hier die Pressemeldung aus der WZ vom 21.3. 17 dazu: Kreis verklagt Direktor
Die oben genannten Vorgänge müssen große Zweifel daran aufkommen lassen, dass es sich beim damaligen Wechsel in der Kreispolitik um eine nachhaltige Entwicklung handelt.
Die Einlassungen von Kreissprecher Michael Elsass sind sehr fragwürdig und in dem Punkt ebenfalls zynisch, dass er sagt, der junge Mann habe ja die Räume freiwillig betreten und da sein man zur Amtshilfe verpflichtet gewesen. Fragwürdig ist der gesamte Vorgang. Fraglich ist, ob die Polizei so schnell aufgekreuzt wäre, wenn sie aus Darmstadt informiert worden wäre. Fraglich ist, wer der „stolze Mitarbeiter“ der Kreisbehörde war, der den Geflüchteten mit Lügengeschichten in die Behördenräume gelockt hat und von dem im FR- Artikel die Rede ist. Fraglich ist, wer der Amtsarzt war, der die Abschiebetauglichkeit bescheinigt hat und eigentlich nicht fraglich dürfte sein, ob eine Behörde die auf sie angewiesenen Menschen unter Nutzung von Lügen in eine Falle locken darf. Schließlich handelte es sich bei dem jungen Abgeschobenen um eine schwerkranken Mann und nicht um einen Verbrecher.
All diese Fragen müssen aufgeklärt werden und die Wiederholung solcher Vorgänge unmöglich gemacht werden.
Hier noch ein Link zum Prozess gegen den Gutachterarzt im Fall von Mustafa Alcali
und hier ein Link zum Kommentar von ProAsyl-Mitarbeiter Bernd Mesovic zur Aufgabenverteilung in den Deutschen Ämtern, bei der jegliche Verantwortlichkeit für inhumane Maßnahmen im Verantwortungswirrwar verschwindet.
Publiziert von Johannes Hartmann am 18.3.2017