Gerade wird wieder „die nächste Sau durchs Dorf getrieben“, diesmal anlässlich der neuen Kriminalstatistik, die gestern (9.4.2024) veröffentlicht wurde. Erfahrungsgemäß zahlt das wieder als Wählerstimmen bei der AFD ein. Hier eine Überprüfung der Fakten im Migazin vom 10.4.24.
Überlegungen zur öffentlichen Diskussion über die Unterbringung von Flüchtlingen im Wetteraukreis
Die Unterbringung von Flüchtlingen wird durch den Wetteraukreis neu organisiert. Wurden früher Häuser und Gebäude für die Unterbringung vom Wetteraukreis angemietet, betrieben und durch die Fachstelle Migration betreut, so werden jetzt die Flüchtlinge mit einem an der Einwohnerzahl orientierten Schlüssel den Kommunen im Wetteraukreis zugewiesen und von diesen in eigener Verantwortung untergebracht. Die Kommunen werden dazu angehalten, über „Runde Tische für Flüchtlinge“ Bürgerengagement für eine Willkommenskultur und für die weitere Unterstützung der Flüchtlinge zu mobilisieren. Dies wurde erstmals sehr erfolgreich in Butzbach ausprobiert, wo sich besonders das Butzbacher Bündnis für Demokratie und Toleranz dieser Aufgabe annahm. Inzwischen gibt es solche Initiativen in ganz unterschiedlichen Städten und Gemeinden wie Karben, Bad Vilbel, Niddatal, Florstadt, Rosbach, Altenstadt, Bad Nauheim. Auch in anderen Kommunen des Wetteraukreises gibt es diese Runden Tische oder es wird daran gearbeitet.
Wie aus der unten stehenden Stellungnahme hervorgeht, unterstützt das IZF prinzipiell dieses Vorgehen. Es darf allerdings nicht, quasi als Sparmaßnahme, zu Lasten einer ausreichenden Unterstützung der Flüchtlinge und ihrer Helfer vor Ort durch Fachpersonal von Seiten des Wetteraukreises gehen.
Es ist seit langem Konsens in der Bundesrepublik, dass es nie wieder Faschismus geben darf. Dies wurde in vielen Veranstaltungen anlässlich des Jahrestages der Pogromnacht gerade letzte Woche (2012) wieder an vielen Orten deutlich gemacht. Die Fehler, die dann zur Machtergreifung der Faschisten geführt haben, sollen niemals wiederholt werden. Das ist die Meinung der großen Mehrheit in Deutschland. Trotzdem sieht es so aus, als ließe sich diese Mehrheit und ihre politischen Vertreter von einer fremdenfeindlichen Minderheit immer wieder einschüchtern. Seit etwa 2 Jahren steigen die Zahlen der politischen Flüchtlinge und der Migration aus den neuen Beitrittsländern der EU wieder und nach dem radikalen Abbau von Unterkünften in den Jahren zuvor ergibt sich ein Unterbringungsproblem, das, verglichen mit anderen Aufnahmeländern für Flüchtlinge in der Welt und in einem der reichsten Länder der Erde, kaum ins Gewicht fallen dürfte. Es gibt Kommunen im Wetteraukreis, die ihren Anteil an Flüchtlingsunterkünften übernehmen. Dann gibt es andere, die in der größtenteils selbst verschuldeten Notsituation nach dem Sankt Floriansprinzip handeln: „Überall, nur nicht in dieser Unterkunft und bloß nicht bei uns.“ Hinter angeblich rationalen Argumenten („Das wäre keine menschenwürdige Unterbringung“ oder „Hier gibt es keine Infrastruktur“) wird oft eigene Fremdenfeindlichkeit oder die Angst vor der Fremdenfeindlichkeit anderer versteckt. Fremdenfeindlichkeit ist eine Spielart des Rassismus, des Antisemitismus, des Antiziganismus und wird in der wissenschaftlichen Diskussion als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bezeichnet. Dem nachzugeben kommt einer Kapitulation vor dumpfen Vorurteilen gleich. Gleichzeitig ist es Wasser auf die Mühlen der Rechtsradikalen und überlässt ihnen das Feld im Kampf um die Köpfe der Menschen, indem man die fremdenfeindliche Argumentation nicht nur nicht bekämpft, sondern ihr nachgibt. Die Erfahrung lehrt, dass gerade die Ablehnung von Flüchtlingen und Migranten das ideologische Einfallstor der Rechtsradikalen zur Rekrutierung neuer Kräfte aus der Gesellschaft ist. Diese Erfahrung wird in der öffentlichen Diskussion viel zu wenig beachtet und wenn, dann meist nur bei Gedenktagen. Und so befinden wir uns in einer paradoxen Situation: In Berlin wird ein Mahnmal für die im Faschismus ermordeten Sinti und Roma feierlich eröffnet und gleichzeitig finden Massenabschiebungen von Angehörigen dieser Volksgruppen statt, weil ihre existenzielle Bedrohung durch Diskriminierung und antiziganistische Verfolgung in Osteuropa verharmlost, Schutz und Integration selbst denen und ihren Kindern verweigert werden, die sich inzwischen voll in Deutschland integriert haben. Opfer von Kriegen und Hungerkatastrophen werden zwar bemitleidet, aber kaum jemand möchte mit den Auswirkungen vor Ort konfrontiert werden. Die gestiegene Zahl der Asylbewerber aus Serbien und Mazedonien darf nicht für innenpolitischen Populismus missbraucht werden. Tatsächlich deutet sie vor allem auf die Ausgrenzung der dortigen Minderheiten hin. Statt über eine Wiedereinführung der Visumspflicht zu diskutieren, sollte die Situation der Sinti und Roma vor Ort nachhaltig verbessert werden. Die entsprechenden Maßnahmen der EU sind offensichtlich noch lange nicht ausreichend. Erst Ende August stellte die EU-Kommission in ihrem dritten Bericht zur Visaliberalisierung erneut fest, dass Roma in allen Balkanstaaten einer umfassenden Diskriminierung ausgesetzt sind, die sie an der Ausübung grundlegender Rechte wie beispielsweise dem Zugang zu Bildung und Ausbildung, Gesundheitsversorgung und Arbeitsmarkt hindert. Die beiden großen Kirchen haben in einer gemeinsamen Erklärung vom 23. Oktober 2012 zu Recht zur Besonnenheit in der Debatte um Asylsuchende aus Serbien und Mazedonien aufgerufen und eine gründliche und unvoreingenommene Prüfung von Asylanträgen auch aus diesen Staaten angemahnt. Gegen zügige Asylverfahren ist nichts einzuwenden – solange sie Verfolgung und Abschiebehindernisse wahrnehmen und benennen. Es dürfen aber nicht pauschal ganze Bevölkerungsgruppen vom Asylrecht ausgeschlossen werden
Der Kampf gegen Rassismus und Faschismus hat heute eine neue konkrete Aufgaben:
- die Bekämpfung der Fremdenfeindlichkeit und der Ablehnung von Flüchtlingen und Zuwanderern,
- eine möglichst gleichmäßige und sozialverträgliche Unterbringung von Flüchtlingen in menschenwürdigen Unterkünften in allen Kommunen des Kreises,
- Einbeziehung der Flüchtlinge in das soziale Leben vor Ort, damit Teilhabe und Integration möglich werden. Das IZF berät gerne Personen, die eine solche Initiative in ihrem Ort starten möchten.